Was im Sport Anabolika und Eigenblut sind, könnten im eSport Ritalin und Amphetamine sein. Die Kontrollen sind schlecht, die Preise vielversprechend. Doch viel zu selten wird die Frage gestellt, ob leistungssteigernde Substanzen auch bei Computerspielern eingesetzt werden.
In Berlin arbeitet die Regierung derzeit an einem schärferen Gesetz für Doping im professionellen Sport. Gefängnisstrafen von bis zu drei Jahren Haft drohen Athleten, die sich mittels unerlaubter Substanzen einen Vorteil im Wettkampf verschaffen.
Was das mit eSports zu tun hat
Viele Menschen ordnen das Doping ausschließlich den physischen Sportarten zu. Im kollektiven Gedächtnis blieb die Erinnerung an die Tour de France. Was einst eines der größten sportlichen Ereignisse des Jahres darstellte, verkam zu einer Randerscheinung, der kaum mehr jemand Beachtung schenkte, da ab einem bestimmten Zeitpunkt jeder Sieg hinterfragt wurde. Der Radsport zeigt, wie Doping einen Sport von Grund auf zerstören kann. Seit der eSport Preisgelder im mehrstelligen Millionenbereich ausschüttet, bewegt er sich in Dimensionen, in denen unlauterer Mittel das Risiko erwischt zu werden rechtfertigen.
Eigenblut und Anabolika für den dickeren Mausarm?
Folgt man der Definition des Europarats von 1963, so ist Doping: "Die Verabreichung oder de[r] Gebrauch körperfremder Substanzen in jeder Form und physiologischer Substanzen in abnormaler Form oder auf abnormalem Weg an gesunde Personen mit dem einzigen Ziel der künstlichen und unfairen Steigerung der Leistung für den Wettkampf."
In den meisten Fällen wird diese auf Substanzen angewandt, die zum Aufbau von Muskelmaße oder auf Doping mit Eigenblut zur erhöhten Sauerstoffaufnahme dienen.
Eine Steigerung der Muskelleistung wird im eSport in den seltensten Fällen das gewünschte Resultat des Dopings sein.
Ziel dürfte viel mehr die Steigerung der Konzentrationsfähigkeit während des Trainings oder Turniers, die Regulierung von Adrenalin bei Offline Turnieren sowie die Verkürzung des Schlafzyklus zu Gunsten längerer Trainingsphasen sein. Das Phänomen des "Hirn-Dopings" – im Gegensatz zum Doping des Körpers – ist keinesfalls neu oder unbekannt.
Gerade vor dem Hintergrund steigender Lernerwartungen an Universitäten erfahren Medikamente wie Ephedrin, Amphetamin, Modafinil und Ritalin, das ursprünglich zur Behandlung von Kindern, die unter ADHS leiden eingesetzt wurde, einen Boom unter Studierenden. Mithilfe dieser Arzneien dopen sich deutsche Studierende zu besseren Noten, so die Meinung großer Zeitungen.
Dieses Phänomen als Massenbewegung anzusehen, ist freilich gewagt und die Ausprägung variiert von Fach zu Fach stark. Nachdenklich sollte einen dieser Trend jedoch trotzdem stimmen. Erhöhte Konzentrationsfähigkeit, schnellere Aufnahmefähigkeit und unterdrückte Angstgefühle dürften auch einem professionellen Computerspieler sehr verlockend scheinen. Vor dem entscheidenden Spiel eine Pille einwerfen, wer soll das schon merken?
Wie hoch ist das Risiko erwischt zu werden?
Im Gegensatz zum Rad- und Wintersport, welche die Presse regelmäßig mit Dopingskandalen füllen, sind Dopingfälle im eSports kaum bekannt. Das dürfte zu einem großen Teil an dem scheinbar mangelnden Bewusstsein oder Interesse der Community und der Veranstalter an dieser Problematik liegen.
Die ESL legt in ihrem 37-seitigen Regelwerk in Abschnitt 3.6.4 fest: "To play a match, be it online or offline, under the influence of [...] performance enhancers is strictly prohibited, and may be punished with exclusion from the ESL Major Series One". Genauere Bestimmungen, wie die Benutzung derartiger Substanzen reguliert werden soll, finden sich nicht. Eine Blutabnahme dürfte den meisten Profis bei Offline-Events also erspart bleiben.
Da es im eSport erlaubt und notwendig ist, von zuhause aus zu spielen, werden Kontrollen weiter erschwert oder gar unmöglich gemacht. Leistungssteigernde Substanzen sind daher schwer festzustellen, was das Doping mit ihnen verlockender macht.
Wird im eSport nun gedopt?
Da die Strukturen für Dopingtests im eSport nicht bestehen oder bei Onlineturnieren nicht bestehen können, wird es schwer zu "beweisen", dass sich Profis mithilfe leistungssteigernder Medikamente einen Vorteil im Wettbewerb verschaffen.
Die große Diskrepanz zwischen geringem Einsatz und hohem Ertrag sowie zwischen wenig Risiko und guten Erfolgsaussichten machen dies jedoch zumindest wahrscheinlich. In jedem Fall sollte die Problematik in der Community breiter diskutiert und präsenter verhandelt werden.
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